Notdienst im Keller
Nach den Tagen der Zerstörung wurde in den noch erhalten gebliebenen Kellerräumen ein Notbetrieb der Post und Fernsprechdienste aufrechterhalten.
Er wurde nur für kurze Zeit bei Kriegsende im Frühjahr 1945 völlig eingestellt.
Im Frühsommer wurden schon wieder Telefonate abgewickelt
siehe rechtes Bild
Das Fernamt - Stand 1956
Nach der Erfindung des Fernsprechers wurde diese bald als außerordentlich nützlich erkannte Einrichtung zunächst nur für Sprechverbindungen innerhalb geschlossener Ortschaften benutzt.
Aber bereits 1885 wurde die Frankfurter Stadtgrenze überschritten und die erste Fernverbindung mit Mainz hergestellt, der im Laufe der nächsten Jahre viele weitere Fernverbindungen folgten. Die erste Auslandsverbindung wurde mit der Schaffung einer Fernleitung Frankfurt-Basel im Jahre 1896 hergestellt, und noch vor dem ersten Weltkrieg wuchs Frankfurt am Main zu einem bedeutenden Knotenpunkt im inner- und außerdeutschen Fernsprechnetz heran. Im Jahre 1919 wurde ein für damalige Verhältnisse modernes selbständiges Fernamt errichtet, an dessen Grundstruktur sich bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg nichts änderte. Die robusten Fernschränke (Modell ZB 10) erfüllten zuverlässig 25 Jahre lang ihren nützlichen Zweck. Natürlich mußten nach und nach Erweiterungen vorgenommen werden, damit der zu Zeiten gesunder Wirtschaftsverhältnisse stark ansteigende Verkehr auch bewältigt werden konnte. So wurde im Jahre 1926 das Schnellamt eingerichtet und dem Fernamt angegliedert. Durch ein vereinfachtes Betriebsverfahren wickelt es den Ferndienst vieler umliegender Orte beschleunigt ab.
Nach der Zerstörung des Fernamtes im Jahre 1944 kam der Ferndienst kurzzeitig völlig zum Erliegen; jedoch bereits etwa 4 Wochen später war es wieder möglich, Ferngespräche zu führen, nachdem der Dienst in Notämtern mit einigen Fernplätzen aufgenommen worden war. Mit der Kapitulation mußte dann auch dieser Notdienst eingestellt werden, und erst im September 1945 durfte der zivile Ferndienst mit einigen Orten der näheren Umgebung wieder aufgenommen werden, wofür ganze 5 Fernleitungen zur Verfügung standen. Unter den schwierigsten Umständen ging es dann daran, nach und nach wieder Fernplätze einzurichten, so daß bereits im November 1945 täglich 800 Ferngespräche abgewickelt werden konnten. Die Raumnot machte es nötig, daß der Fernverkehr zeitweise an 5 verschiedenen Stellen abgewickelt wurde. Doch mehr und mehr konzentrierte sich die Ferndienstabwicklung auf das Zeilgrundstück (Hansabau), und im Jahre 1947 wurden 6o Fernplätze im Erdgeschoß dieses Gebäudes (heutiger Fernsaal 1) aufgebaut, von denen einige Plätze für den Auslandsferndienst hergerichtet wurden .
Der wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik Deutschland nach der Währungsumstellung im Jahre 1948 brachte nun einen stetigen Verkehrsanstieg mit sich. So zeigte es sich, daß auch das Erdgeschoß des Hansabaues bald zu klein wurde. Deshalb mußte eine Aufstockung des Gebäudes vorgenommen werden. Im Jahre 1952 konnte der neue Fernsaal im 5. Geschoß des Hansabaues seiner Bestimmung übergeben werden, in dem heute 24 Schnell- und 159 Fernplätze (53 Fernschränke F 38) untergebracht sind. Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme des neuen Fernsaales war bei den meisten Inlandsbeziehungen die Umstellung des etwas schwerfälligen Meldeverkehrs (reiner Speicherdienst) auf den flüssigeren Sofortdienst möglich.
Die Abwicklung des Fernverkehrs im Sofortdienst ist natürlich nur dorthin möglich, wo ausreichend Leitungen zur Verfügung stehen. Zur Zeit werden im Inlandsfernamt Frankfurt (Main) fast 8o% aller abgehenden Fernverbindungen im Sofortdienst hergestellt. Aber auch im Auslandsverkehr wird bereits heute mit vielen europäischen Ländern Sofortdienst betrieben, nachdem im Jahre 1953 mit der Schweiz, England und Holland der Anfang gemacht werden konnte.
Fernsäle im Hansabau:
- Inlandsfernamt:
114 A-Plätze, 66 B-Plätze, 47 Speicherplätze
- Schnellamt: 24 Plätze
- Auslandsamt:
14 A-Plätze, 10 B-Plätze, 12 Speicherplätze
- Überseeamt:
15 Plätze (Abwicklung des Fernsprechverkehrs von und nach Übersee).
An diesen Fernplätzen werden zur Zeit täglich etwa 70.000 Gespräche hergestellt, davon 37.000 abgehende, 14.000 ankommende und 19.000 durchgehende Gespräche. Hierin sind auch die Gespräche enthalten, die an Überleitungsplätzen zwischen festen und beweglichen Sprechstellen (Auto, Schiff) hergestellt werden (Funksprechverbindungen).
Neben dem reinen Fernvermittlungsdienst werden im Fernamt Frankfurt (Main) auch noch einige Sonderdienste betrieben. So werden täglich 10 Dimafone mit aktuellen Sendungen besprochen, die dann durch Wahl besonderer Rufnummern von jedem Fernsprechbenutzer abgehört werden können . Die folgenden Zahlen der monatlichen Anrufe (Stand Januar 1956) geben ein Bild, wie gefragt die Sonderdienste auch in Frankfurt (Main) sind:
- Totodienst: 26.300
- Börsenbericht: 11.000
- Theaterdienst: 4.300
- Kinodienst: 51.000
- Küchenzettel: 11.000
- Fernsprechnachrichtendienst: 18.700
- Wetterbericht: 37.600
- Straßenzustand: 24.000
- Wasserstandsmeldungen und Eisbericht: 1.800
Um nun den Ferndienst so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten, ist es erforderlich, daß zu Zeiten schwachen Verkehrs auch nur wenig Personal eingesetzt wird, während die Verkehrsspitzen natürlich nur durch die volle Besetzung des Amtes abgefangen werden können. Diese Forderungen zu erfüllen, ist nicht immer ganz einfach, denn das Verkehrsangebot schwankt im Laufe eines Tages ganz erheblich. Für das "Fräulein vom Amt" bringt diese aus wirtschaftlichen Erwägungen erforderliche Angleichung der Schrankbesetzung an das Verkehrsangebot so manche unangenehme Dienstschicht (Nachtdienst, Sonntagsdienst, Doppeldienst usw.) mit sich.
Zur Zeit sind etwa 1.000 weibliche Kräfte mit der Abwicklung des handvermittelten Ferndienstes in Frankfurt beschäftigt. Sie stellen täglich Zehntausende von Verbindungen zwischen Menschen des In- und Auslandes her. Hierbei sind auch manche freundschaftliche Bande zu den Kolleginnen der Gegenämter geknüpft worden. Viele kennen sich seit Jahren, ohne sich jemals gesehen zu haben; doch werden diese freundschaftlichen Beziehungen auch durch persönliche Besuche gefestigt, und schon so manche junge Dame des Fernvermittlungsdienstes hat ihre Kollegin im Ausland besucht oder deren Besuch empfangen.
Für die künftige Entwicklung des Fernamtes Frankfurt darf gesagt werden, dass auch im Zeichen des Selbstwählferndienstes in den nächsten Jahren nicht mit einem Rückgang des handvermittelten Dienstes gerechnet werden kann, denn der Verkehr im In- und Auslandsfernamt nimmt unaufhaltsam zu.
Quelle: wayback.archive.org